Interview RBN Retail Brand News (2020) PEOPLE

Selbstständige Gestalterin für visuelles Marketing aus München.

„Ich habe in der Vergangenheit gelernt, dass sich der Sprung raus aus der Comfort Zone tatsächlich lohnt. Auch wenn es anfangs Mut erfordert, eröffnet es danach ganz neue Perspektiven. Neue Türen öffnen sich und ich lerne bei jedem Mal wahnsinnig viel dazu“, äußert sich Anna Tewfik zu ihrem Schritt in die Selbstständigkeit im Jahr 2016. Zuvor hatte die 33-jährige als Head of Visual Merchandising für die Oui Gruppe GmbH & Co. KG gearbeitet. „Als ich Oui nach knapp vier Jahren verließ, stürzte ich mich mal wieder ins kalte Wasser und machte mich spontan selbstständig“, verrät die junge Kreative, deren erste Aufträge vor allem in Kooperation mit VM-Agenturen zu Stande kamen und bei denen es hauptsächlich darum ging, das Visual Merchandising-Konzept für hochwertige Brands auf den POS-Flächen zu übersetzen. „Es folgte eine Zusammenarbeit mit Hugo Boss, wo ich bei den Stylings für die saisonalen Guideline-Shootings involviert war und dann kam auch schon mein erstes Filmprojekt in Polen, für das ich im Kostümbild während der Dreharbeiten mitarbeitete“, beschreibt Anna Tewfik einige ihrer vielseitigen Projekte in den vergangenen Jahren.

Freiberuflerin und Studentin

Generell sei es relativ schwierig ihren Werdegang seit 2016 in einzelnen Schritten wiederzugeben, sagt sie. Vieles passiere parallel. Neben der reinen VM-Tätigkeit übernimmt die Expertin für visuelles Marketing auch Aufträge für kleinere Schaufensterkonzepte oder die Entwicklung/Professionalisierung des Corporate Design für Privatunternehmen. Dazu kommen kreative Kollaborationen mit Künstlern aus anderen Bereichen. „Hier übernehme ich alles, was gestalterisch mit den Bereichen Inszenierung, Rauminstallation, Styling zu tun hat“, so die gebürtige Münchnerin, die seit einem Jahr neben ihrer Selbstständigkeit auch noch Sozialwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in der bayerischen Landeshauptstadt studiert. „Das Studium ist für mich eine wichtige Ergänzung, denn man lernt nie aus und ich finde es gerade in Zeiten wie diesen wichtig, sich mit unserem Staat, dem Sozialsystem und dem richtigen Umgang mit Menschen auszukennen und nebenbei mein Coaching zu professionalisieren. Außerdem ist es schön zu sehen, dass ich dort meinen beruflichen Background kreativ integrieren kann.“

Vorliebe für Reisen, Yoga, Musik & Natur

Anna Tewfik liebt das Reisen. Ihre Lebensphilosophie sei eine Mischung aus Yoga, Musik, Natur und Design, sagt sie. Die gelernte Gestalterin für visuelles Marketing, die ihre Ausbildung von 2007 bis 2010 bei Peek & Cloppenburg in Augsburg absolviert hat, reist regelmäßig nach Indien und Nepal. „Dort vertiefe ich mich ins Yoga, lasse mich von der buddhistischen Philosophie lehren und entdecke immer wieder aufs Neue meine Liebe zur Natur. Die Liebe zu den Bergen habe ich in Nepal entdeckt und mit ins heimische Bayern gebracht. Jetzt weiß ich auch hier unsere schönen Berge zu schätzen“, erklärt sie mit einem Lächeln.

Natürlich, so Anna Tewfik weiter, habe das Reisen auch Auswirkungen auf die Arbeit. „Ich komme jedes Mal wieder mit neuem kreativen Input zurück. Ich begegne vielen Menschen und somit auch Kulturen aus aller Welt. Das Spektrum des Erfahrungsaustausches vervielfacht sich – Farben und Formen, Trends, usw. Der Kopf wird wieder frei für Neues“, schwärmt die Selbstständige, die mittlerweile durchaus Gefallen daran findet, ohne feste Anstellung zu arbeiten: „Es geht mir gut. Mein Horizont erweitert sich ständig. Mein Netzwerk wächst stetig. Durch wechselnde Kunden und Kooperationen wächst auch der Erfahrungsschatz und kreative Spielräume öffnen sich auch außerhalb der Mode-Branche. Ich arbeite in abgeschlossenen Projekten und kann meine Zeit größtenteils frei einteilen. Die ´Betriebsblindheit´ trifft nicht ein. Natürlich bedeutet das Ganze eine gewisse finanzielle Unsicherheit. Gerade jetzt mit Corona.“

Erste Aufträge nach der „Corona-Flaute“

Nach zuletzt einem halben Jahr Flaute kommen auch bei Anna Tewfik langsam wieder die ersten Aufträge, wie beispielsweise ein Styling für ein Fotoshooting für Wayfair oder das Merchandising einer POS Fläche für Windsor. „In solchen ´Zwangs-Ruhepausen´ braucht man tatsächlich starke Nerven und Zuversicht. Es ist generell schwierig an direkte Kunden ranzukommen. Kleine Unternehmen machen ihre Gestaltungen noch selbst, größere Unternehmen haben ihre Festangestellten oder arbeiten oft mit Agenturen zusammen. Dennoch möchte ich meine Selbstständigkeit nicht missen, denn das Positive überwiegt“, versichert die ausgebildete Yoga-Lehrerin, die trotz der herausfordernden Situation optimistisch in die Zukunft blickt: „Der Markt stagniert nicht und wächst ständig weiter. Auch jetzt mit Corona geht der Trend weiter in Richtung Nachhaltigkeit, wo viele Firmen mitziehen oder mitziehen werden und sich dementsprechend auch visuell darstellen und vermarkten. Natürlich wird alles digitaler, aber auch hier gibt es viel für uns zu tun, denn auch die Stylings für die Set-Ups müssen passen bis hin zum allgemeinen digitalen Auftritt. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass in Zukunft vor Ort auf den Retail-Flächen mehr Wert auf das Coaching der Mitarbeiter im Bereich VM gelegt wird, wenn die Corona Regelungen weitestgehend so bleiben.“

Nachhaltigkeit hat Priorität

Das Thema Nachhaltigkeit spielt im privaten und beruflichen Leben der freiberuflichen Gestalterin ohnehin eine „riesengroße Rolle“, weshalb sie am liebsten ausschließlich für nachhaltige Labels arbeiten würde: „Leider ist das nach wie vor schwierig, aber ich hoffe auf Besserung und dass sich dieses Thema immer mehr in die Köpfe aller Menschen einbrennt. Gerade im Bereich der Mode, auch wenn es ein sehr komplexes Thema und daher nicht so einfach umzusetzen ist. Aber zumindest das Verständnis dafür setze ich voraus. Akut kann ich nur versuchen, weitestgehend mit den verfügbaren Arbeitsmaterialien nachhaltig umzugehen.“

(Text: Philipp Knab)


Interview STYLEGUIDE  (2015) PROFESSIONAL PROFILE – TOP STORY

„Ganz ehrlich, ich glaube nicht mehr an spezielle Trends … geht heute nicht einfach alles?“,

so die Antwort der aus dem oberbayerischen Markt Schwaben stammenden Gestalterin für visuelles Marketing auf die Frage nach aktuellen Strömungen in ihrem Arbeitsbereich. „Vielleicht gibt es immer wieder kurze gestalterische Trends, die sich in der Masse durchsetzen, aber dann hat man das auch gleich überall gesehen und schon kommt der nächste […]

Wichtig ist es aus meiner Sicht, einem sogenannten ´Trend` nicht einfach blindlings hinterherzulaufen, sondern erst einmal herauszufinden ob und wie dieser zu einem passt“,

lautet Anna Tewfiks Einschätzung. Bevor die junge Gestalterin für visuelles Marketing im Jahr 2012 bei der Oui Gruppe anheuerte, hatte sie zuvor bereits zwei Jahre lang als Abteilungsverantwortliche der Dekoration bei Peek & Cloppenburg in Linz gearbeitet. Ihre Ausbildung hatte sie zuvor ebenfalls bei Peek & Cloppenburg, allerdings in Augsburg, absolviert. „Anfangs war ich hier bei Oui für den Bereich Styling, Organisation, Umsetzung, Fotos für den Onlineshop zuständig. Als meine Kollegin schwanger wurde, hat sie mir den Bereich VM und Schaufenstergestaltung abgegeben und für den Online Shop wurde ein neuer Mitarbeiter eingestellt“, beschreibt Anna Tewfik ihren Werdegang beim Münchner Familienunternehmen. In den letzten drei Jahren stieg die Zahl der Oui-Stores von drei auf mittlerweile 30 Stores weltweit. Im nächsten Jahr sind weitere acht Stores geplant. „Der Focus liegt auf einem Franchise Store-Partner Konzept, das bis jetzt sehr gut funktioniert“, erklärt Anna Tewfik, die mittlerweile für die Visual Merchandising Guidelines und das Controlling der Umsetzung der VM-Vorlagen verantwortlich ist. „Meine Kollegin kam dann aus dem Mutterschutz zurück und hat das Thema Schaufenstergestaltung übernommen, das mit wachsender Anzahl an Stores natürlich immer wichtiger wurde. Hinzu kommt ein Visual Merchandiser im Außendienst, der die vorgegebenen VM Guidelines vor Ort umsetzt.“

Seit zwei Saisonen werden diese Guidelines bei Oui als Printversion herausgegeben. Dazu gehören entsprechende Fotos und Texte, die Anna Tewfik zusammen mit der Geschäftsleitung, dem Fotografen, der Design- und der Marketingabteilung ausarbeitet.

„Ich bin quasi die Schnittstelle zwischen Design, Vertrieb, Geschäftsleitung und Endverbraucher

und versuche das, was wir präsentieren wollen, visuell umzusetzen. Bei den Store-Neueröffnungen arbeite ich eng mit unserer Projektleiterin und Shop-Designerin zusammen. Genauso auch bei Messen. Es ist nicht ganz einfach festzulegen, was mein Aufgabenbereich ist, da der Job so vielseitig ist“, bilanziert Anna Tewfik.

Das visuelle Marketing bei Oui leitet sich in erster Line von den Key Looks der aktuellen Kollektionen ab. „Alles was wir machen, spiegelt sich im Ursprung wieder. Das Konzept bringen wir auf die Flächen und stellen sicher, dass es vom Kunden als solches erkannt und verstanden wird.“, so Anna Tewfik, für die „jedes neue Projekt eine große Herausforderung“ darstellt.

„Erfolgreiches Visual Merchandising beeinflusst den Kunden auf all seinen Sinnesebenen. Nichts ist so wichtig für eine Marke wie ihr Wiedererkennungswert und das Erscheinungsbild, das Corporate Design“,

so ihre Einschätzung. Die Marke Oui kann heute auf eine 50-jährige Geschichte zurückblicken. Zur Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs legten die Eheleute Gottesdiener in der aufstrebenden Metropole München den Grundstein für ein Familienunternehmen, das heute in über 30 Länder exportiert. Mittlerweile wird das Unternehmen mit 1.000 Verkaufspunkten in Deutschland und ebenso vielen im Ausland, erfolgreich von der dritten Generation geleitet. Für Head of Visual Merchandising Anna Tewfik ist die Sympathie des Familienunternehmens intern wie extern ausschlaggebend für den Erfolg der Modemarke. „Die Mitarbeiter und das Arbeitsklima sowie der Umgang mit den Store-Partnern. Durch die Expansion etabliert sich Oui auf dem Markt und wird von den Endverbrauchern wahrgenommen. Oui steht für Qualität und Modernität“, so die Gestalterin für visuelles Marketing, die von ihren Kolleginnen als Querdenkerin, Perfektionistin und Realistin bezeichnet wird, die das Schöne mit dem Strategischen verbindet.

QUERDENKERIN, PERFEKTIONISTIN UND REALISTIN DIE DAS SCHÖNE MIT DEM STRATEGISCHEN VERBINDET

Derzeit arbeitet das VM-Team von Oui am Frühjahrskonzept der Modemarke. Langfristig gesehen hat die vielseitig interessierte und engagierte 28-jährige, die vor ihrer Ausbildung zur Gestalterin für visuelles Marketing ein halbes Jahr in Indien mit Freiwilligenarbeit bei Heartkids e.V. verbracht hatte, noch keine ganz konkreten Pläne im Kopf: „ … nur Wünsche! Inspirationen auf Reisen sammeln, coole Projekte umsetzen, neue Dinge kennen lernen in unterschiedlichen Bereichen. Menschen, Kommunikation, Kreativität … eben das Schöne mit dem Strategischen verbinden“, verrät Anna Tewfik mit einem Lächeln.

(Text: Philipp Knab)